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Der zweite Lockdown zwingt zu massiven Einschnitten. Und wieder sind Fluglinien, Flughäfen und viele Dienstleister, ohne die der Flugverkehr nicht stattfinden kann, schwer betroffen. Trotz aller Unsicherheit müssen diese Unternehmen nun planen, wie ihr Geschäftsmodell nach Corona aussehen wird. Welche Rolle kann hierbei das neue Sanierungsgesetz (StaRUG) spielen, dessen Verabschiedung bevorsteht? Der Artikel ist in Airliners.de Chancen für die Luftfahrtbranche erschienen.
Die coronabedingte Notlandung der Flugbranche ist eine extreme Herausforderung. Eine Branche, die seit vielen Jahren boomt und alle Weichen auf Wachstum ausgerichtet hatte, musste einen Fullstop hinlegen. Geprägt von hohen Kosten und langfristigen Wirtschaftsplänen, im Handlungsspielraum beengt durch hohe, nicht verhandelbare Sicherheitsstandards – alle Beteiligten des Luftverkehrs stehen vor großen Herausforderungen in unsicheren Zeiten.
Situation analysieren und neue Wege denken
Staatliche Unterstützung ist bisher nur punktuell angekommen, so dass viele vermehrt selbst Hand anlegen müssen. Zurecht bemühen sich viele Verantwortliche aktuell um eine differenzierte Analyse der eigenen Situation. Sie stellen das eigene Geschäftsfeld auf dem Prüfstand. Fragen, die sie beantworten müssen, lauten etwa: Wie lange dauert die Krise? Wie hart wird sie konkret? Wo stehen wir in drei Jahren? Sicher keine leichte Aufgabe angesichts der unklaren Entwicklung in puncto Geschäftsreisen, Touristik und Urlaub. Und dennoch unerlässlich, um einen Weg aus der verfahrenen Situation aufzuzeigen. Diesem sollte eine eher konservative Schätzung des künftigen Auftragsvolumens zugrunde gelegt werden und nicht die Hoffnung auf einen schnellen Wiederanstieg. Experten gehen momentan von einem New Normal im Passagiergeschäft von höchstens 40 Prozent aus und erst 2025 soll wieder das Niveau von 2019 erreicht werden, was für viele Unternehmen einen radikalen Downsizingprozess nahelegt. Dennoch sollten bei der kurz- und mittelfristigen Unternehmensplanung alle Optionen mitgedacht und durch eine flexible Sechs-Monats-Strategie stets realisierbar gehalten werden. Bei der Ableitung von entsprechenden Maßnahmen und Instrumenten kommt das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, kurz StaRUG, ins Spiel.
Was ist das StaRUG?
Das StaRUG ist ein starkes Instrument zur Regulierung von Finanzschulden und erlaubt zugleich den Eingriff in Rechtsverhältnisse. Zeichnet sich ein finanzieller Engpass ab, kann zu einem frühen Zeitpunkt eine zielgerichtete Optionsanalyse erfolgen.
Dieser neue Rechtsrahmen ermöglicht es, Sanierungsmaßnahmen mit der Zustimmung der Gläubigermehrheit durchzusetzen und unrentable Verträge binnen einer Frist von drei Monaten zu kündigen. Beide Maßnahmen stehen unter gerichtlicher Kontrolle. Ausgeschlossen sind Maßnahmen bei Personal und der betrieblichen Altersvorsorge. Geplant ist das Inkrafttreten für den 1. Januar 2021 – im direkten Anschluss an die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht durch das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz.
Voraussetzung ist, dass das Unternehmen nur drohend zahlungsunfähig ist. Die drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner zukünftig nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten fristgemäß zu erfüllen, aktuell aber alles rechtzeitig bezahlt.
Darüber hinaus beinhaltet das neue Gesetz erweiterte Pflichten für die Geschäftsleitung. Zur Früherkennung von Krisen müssen Unternehmen ein Warnsystem installieren. Laut Gesetz muss der Geschäftsleiter Entwicklungen überwachen, die zur Bestandsgefährdung des Unternehmens führen können. Liegt die drohende Zahlungsunfähigkeit vor, muss der Geschäftsleiter die Interessen der Gläubigergesamtheit bei seinen Entscheidungen berücksichtigen. Bei Pflichtverletzung haftet der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft.
Optionsanalyse – wo hilft das StaRUG der Flugbranche?
Es bedarf nicht immer einer Krise wie der aktuellen, damit Unternehmen in Schieflage geraten. Wo auch immer die Gründe liegen, finanziellen Engpässen kann mithilfe einer Unternehmensverkleinerung oder auch einer Refinanzierung begegnet werden. Auch der Verkauf von Immobilien oder (nicht) betriebsnotwendigem Vermögen, ggf. als Sale & Lease Back, ist ein probates Mittel zur Kapitalerhöhung. Fluglinien können darüber hinaus Standorte schließen, auch Einsparungen durch Flugstreichungen sind denkbar, entfallen auf diese Weise Kosten für Start und Landung, für Treibstoff, für Pushback und Flughafennutzung.
Weitaus schwerer wiegen jedoch die vertraglich geregelten Verpflichtungen: Leasingverträge für Triebwerke und Flugzeuge (Dry and Wet-Leasing) sowie Mietverträge für Hangars haben meist lange Laufzeiten, Wartungsverträge sind zyklen- und nutzungsabhängig. Dies trifft größtenteils auch auf alle anderen Player wie Dienstleister (Gepäcktransport, Betankung etc.), Flughafenshops, Personaldienstleister und Flughäfen zu. Diese bestehenden Rechtsverhältnisse zu beenden ist im Regelbetrieb schwierig bis unmöglich, und genau hier setzt das neue Gesetz an. Das StaRUG bietet im Rahmen eines Restrukturierungsplans die Möglichkeit, Verbindlichkeiten des Unternehmens zu regeln. Des Weiteren ist vorgesehen, für den Schuldner ungünstige Dauerschuldverhältnisse (bspw. Mietverträge oder Lieferverträge) mit einer Frist von drei Monaten kündigen zu können.
Die schnelle Erholung wird zudem dadurch unterstützt, dass sich das Unternehmen fortan auf der Grundlage eines von den betroffenen Gläubigern mehrheitlich (75 Prozent) angenommenen Restrukturierungsplanes sanieren kann. Der Rechtsrahmen schließt die aktuelle Lücke zwischen einer auf die Zustimmung aller Gläubiger angewiesenen außergerichtlichen Sanierung einerseits und der Sanierung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens andererseits. Blockaden einzelner Gläubiger, sog. Akkordstörer, wird somit ein Riegel vorgeschoben.
Früherkennung gesetzlich gefordert
Um finanzielle Schieflagen und Havarien zu erkennen, betont der Gesetzgeber erneut die Wichtigkeit der Einbeziehung von Frühwarnsystemen. Nähere Angaben zur Ausgestaltung werden bisher allerdings nicht gemacht. Neben Systemen, die sich auf die allgemeine Wirtschafts- und Marktlage beziehen, werden wohl insbesondere betriebliche Frühwarnsysteme relevant werden. Bestandteile eines betrieblichen Frühwarnsystems sind angepasste, kennzahlenbasierte Controlling- und Informationssysteme. Diese häufig vergangenheitsorientierten Systeme sind auf jeden Fall, um zukunftsorientierte Systeme zu ergänzen. Hierzu gehören eine integrierte, mehrjährige GuV-, Bilanz- und Cashflow- oder Liquiditätsplanung. Daneben sollten Soll-/Ist-Vergleiche und damit verbunden laufende Maßnahmenpläne zur Zielerreichung zum Standardinstrumentarium gehören. Mit dem StaRUG und der darin vorgesehenen verschärften Haftung der Geschäftsleiter erhofft man sich eine stringente und flächendeckende Implementierung solcher Systeme.
Fazit
Das neue StaRUG bildet einen weiteren Baustein des Sanierungsbaukastens. Es stellt eine niedrigschwellige Einstiegsmöglichkeit in ein gerichtlich begleitetes Verfahren dar, das den Geschäftsleitungen ein weitgehend eigenständiges Handeln und den Gläubigern gleichzeitig Rechtssicherheit ermöglicht.
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